- Fr., 24.03. , 09:30 bis 10:30 Uhr
Wer das Geheimnis des menschlichen Gehirns lüften will, stößt auf Gesellschaft.
- Vortrag
Werner Vogd
In ihren populären Varianten tritt die Hirnforschung mit dem Ziel an, die letzten Geheimnisse des Menschen zu lüften. Aber könnte sich die Sache nicht vielleicht genau andersherum darstellen? Wäre es nicht möglich und mit Blick auf den aktuellen Stand der Forschung wahrscheinlicher, dass die neurowissenschaftliche Forschung, je mehr sie voranschreitet, einem neuen Geheimnis begegnen wird – nämlich dass Gehirn, Psyche und Kommunikation unentwirrbar miteinander verschränkt sind? Was Gehirne und soziale Systeme eint, ist ein gemeinsames Bezugsproblem: Kontingenz und Unbestimmtheit und hiermit einhergehend: Transzendenz in Sinn. Beide haben eine Antwort darauf zu finden, wie man mit einer prinzipiell nicht vorhersagbaren Welt umgehen kann und brauchen einander, um temporär stabile Zustände aufzubauen. Gefühle, Sprache, Rationalität, aber auch Bewusstsein und Willensfreiheit sind damit nicht im Gehirn zu finden, sondern relational zu begreifen. Sie liegen dazwischen. Damit stellt sich die Frage, was dies für das Verständnis von uns selbst und unserer Gesellschaft bedeutet?Werner Vogd, Univ.-Prof. Dr. hum. biol. leitet den Arbeitsbereich Soziologie an der Universität Witten/Herdecke und beschäftigt sich dort insbesondere mit den Selbst- und Weltverhältnissen in Krankenbehandlung, Psychotherapie und spirituell-religiöser Schulung. Ein weiteres Forschungsfeld liegt in der Frage nach der Bedeutung künstlicher Intelligenzen für unser künftiges Erleben und Handeln. Von Bedeutung sind für ihn dabei neben der soziologischen Systemtheorie auch die Arbeiten der Kybernetiker Gregory Bateson, Heinz v. Foerster sowie der Biologen Humberto R. Maturana und Francisco Varela. Er hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, darunter „Gehirn und Gesellschaft“, „Welten ohne Grund“, „Die Praxis der Leere“, „Zur Soziologie der organisierten Krankenbehandlung“, „Selbst und Weltverhältnisse“, „Therapeutische Arrangements im Maßregelvollzug“ und „Entscheidungsfindung im Krankenhausmanagement“.